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Gott: Fragen und Antworten - eine Metapher?

Veröffentlicht am von Shade

Irgendwie darf es mich ja nicht wundern, dass er wieder mir gegenüber sitzt und mich mit seinen stahlblauben Augen anblickt.

 

"Schön, dich wiederzusehen," meine ich, und ich meine es ehrlich.

 

Er nickt.

 

"Wie ist es also jetzt mit dem Satz, dass wenn du mit und zu mir sprichst, dass es dann ebenso Gott möglich sein müsste, zu seinen Menschen zu sprechen, die ihm doch so am Herzen liegen," beginne ich.

 

Wieder nickt er

 

"Dazu möchte ich etwas allgemeiner an die Sache herangehen," er überlegt einen Augenblick, "das Thema ist so facettenreich, dass es nicht immer einfach ist, es in Worte zu fassen, und das ist ja auch teilweise das Problem."

 

Ich warte, wie immer weiss ich, dass dieser Augenblick der Stille sein Gutes hat.

 

"Es mag Menschen geben, die Fragen an Gott richten und enttäuscht sind, dass er scheinbar nicht antwortet. Doch er antwortet, wenn auch selten so, wie der Mensch es von ihm erwartet. Wenn Gott überall ist, dann ist es normal, dass er auch überall Antworten hinterlässt. Nun gilt es ja, sich über die eigenen Grenzen hinweg zu entwickeln. Wie aber soll das funktionieren, wenn man immer im eigenen Rahmen bleibt. Es ist in etwa so, wie du es mit Tarot erklärst. Du weigerst dich, geschlossene Fragen, also jene Fragen, die man mit Ja oder Nein beantworten muss, mit Tarot zu beantworten, einfach weil es die Möglichkeiten des Tarot einschränkt in ein System, das man auch beantworten kann, wenn man eine Münze wirft. Mit Gott ist es ähnlich. Die Fragen die ihr stellt, sind in einem Rahmen eingeschränkt, in den man das Göttliche nicht zwängen kann. Und man erwartet also von Gott eine Antwort auf eine Frage, die nicht an sich da ist, um beantwortet zu werden."

 

Ich nutze den Augenblick der Stille, der eintritt, um eine Frage aufzuwerfen.

 

"Wie meinst du das, die Frage ist nicht da, um beantwortet zu werden," frage ich.

 

Wieder bleibt er einen Augenblick still, während er mich mit seinen stahlblauen Augen betrachtet.

 

"Stell dir vor, du wärst in einem Raum. Dieser Raum ist das Leben, das du wahrnimmst, in gewisser Weise begrenzt. Du kannst dich darin wohlfühlen, du kannst dich aber auch eingeengt darin fühlen. Und dann beginnst du zu fragen, was ausserhalb des Raumes liegt. Diese Frage ist wie ein Schlüssel. Du stellst also fest, dass du einen Schlüssel in der Hand hälst und beginnst, nach einer Tür zu suchen. Schlussendlich findest du die Tür, aber es liegt an dir, ob du sie mit dem Schlüssel öffnest oder nicht. Vielleicht hast du Angst und entscheidest dich für eine eingeschränkte Wahrnehmung, weil du sie für sicherer empfindest als diese Tür zu öffnen. Du weisst nämlich nicht, was sich hinter der Tür verbirgt, was du in deinen Raum hereinlassen wirst. Oder du versuchst, durch das Schlüsselloch zu blicken. Du kannst vielleicht etwas erkennen und versuchst es einzuordnen, in etwas, das du aus deinem bisherigen Raum kennst. Oder aber, du schliesst auf, und öffnest die Tür."

 

Ich bin gespannt, wohin dies führen wird.

 

"Eines muss dir klar sein," warnt er, "ist die Tür einmal geöffnet, lässt sie sich nie wieder schliessen. Du magst dich dazu entscheiden, dennoch in deinem Raum zu bleiben, aber die Tür ist offen, du kannst heraussehen und Dinge erkennen, von denen du deinen Blick nicht mehr abwenden kannst. Und Dinge werden zu dir eintreten und deinen Raum vereinnahmen. Er wird nie wieder derselbe sein."

 

"Und was hat das nun mit der Frage zu tun," ich bin nicht sicher, es begriffen zu haben.

 

Er lächelt.

 

"Merkst du es nicht," fragt er zurück, und ich schüttele den Kopf

 

"All das liegt einzig und alleine in der Hand des einzelnen. Dabei spielt die Frage keine Rolle, denn jede Frage, jede einzelne Frage wird euch immer die Möglichkeit geben, den Raum zu verlassen, indem ihr eine Tür öffnet. Würde die Frage jetzt einfach beantwortet, würde sich an euren Raum nur ein weiterer Raum anschliessen, der euren zwar vergrössert, aber euch weiterhin einschliesst. Um also ausserhalb eures euch bekannten Rahmen denken zu lernen, benötigt ihr diese Fragen. Aber wirklich aus diesen Fragen, und aus diesen Rahmen auszusteigen und das Gerüst und Gebilde der verschiedenen Räumlichkeiten von aussen sehen zu können, das könnt ihr, wenn ihr die Frage begreift, die wirklich wichtig für euch ist."

 

"Und die wäre," ich bin wieder ungeduldig, doch er weiss das schon und wartet etwas, damit ich mich wieder beruhigen kann.

 

"Warum ihr diese Fragen habt," meint er schlicht

 

"Und was ist die Antwort," will ich wissen.

 

Er lächelt mich an, und lehnt sich zu mir herüber

 

"Ich habe gesagt, dass es gilt die Frage zu begreifen, nicht sie zu beantworten," flüstert er mir ins Ohr.

 

Dieses Mal sind seine stahlblauen Augen nur Zentimeter von mir entfernt als er mich wieder anblickt. Und während er zurückweicht, entschwindet sein Wesen wieder.

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