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Lüge und Wahrheit

Veröffentlicht am von Shade

Ich werde schon geduldig erwartet, als ich meinen Computer hochfahre und mein Textverarbeitungsprogramm öffne. Er lächelt mich an und ich lächele zurück. Gut, dass wenigstens einer von uns beiden Geduld hat.

 

"Das letzte Mal ist das Thema wohl etwas abgerutscht," meine ich kleinlaut. Immerhin war ich ja schuld daran gewesen, dass die wirkliche Überschrift, die jetzt vorliegt, geändert wurde.

 

"Dennoch war es wichtig," antwortet er, "denn es war dir wichtig, und so ist es für unseren Umgang auch notwendig, solche Punkte gleich zu klären."

 

"Ich weiss nicht so recht, wo ich beginnen soll," sage ich achselzuckend, "irgendwie gibt es so viele Fragen, die ich jedoch noch nicht in Fragen verpackt habe... mensch, ist das kompliziert!"

 

Ich seufze.

 

Er nickt mir zu.

 

"Lass mich mal folgendermassen beginnen," schlägt er vor, "man behauptet von mir, ich würde Menschen verführen, und sie mit Lügen von Gott entfernen. Wie passt dies zu dem, was ich hier mit euch teile?"

 

Das erscheint mir sinnig. Auch wenn ich, wie schon erwähnt, es nicht so mit Gott und der Dualität überhaupt habe, schleicht sich hin und wieder ein leiser Zweifel ein, der 'was wäre wenn...' flüstert.

 

"Wie ich schon erwähnt habe, und wie viele es auch immer ausdrücken, sind Gottes Wege unergründlich. Allerdings sind sie nicht unsinnig, was bedeutet, dass alles was er macht und erschafft, einen Grund hat. Auch ich wurde zu einem ... sagen wir mal so... höheren Zweck erschaffen, jenem Zweck euch alle Puzzleteile in die Hand zu geben, um das Gesamtbild, die Wahrheit zu erkennen. Nur wer jedes Teil gleichwertig behandelt, und nicht zur Seite legt, weil er es unnütz, wertlos, oder etwa schlecht bewertet, wird eines Tages fähig sein, das Bild in seiner Ganzheit zu betrachten."

 

Er schweigt einen Augenblick, sucht nach den richtigen Worten, dann schüttelt er den Kopf.

 

"Ich bitte euch, meine folgenden Worte wiederum wertneutral zu verstehen, auch wenn sie wie eine Anklage klingen mögen. Doch wer denkt, sich auf Gottes Seite zu stellen, indem er mich bekämpft, dem mag es an Vertrauen fehlen, nämlich dem Vertrauen Gott gegenüber, dass jener weiss was er tut, und ihn, den Menschen nicht wirklich benötigt, um seinen Job zu machen. Gott hätte mich jederzeit mit einem Fingerschnippen auslöschen können, wäre das sein Ziel gewesen. Er tut es jedoch nicht. Warum also glaubt der Mensch, es tun zu müssen, ohne die unergründlichen Wege Gottes zu kennen. Sollte er nicht, gottgleich, leben und leben lassen?"

 

Auch wenn mir das logisch erscheint, kann auch ich langsam nachvollziehen, dass der eine oder andere vielleicht einwenden würde, dass es keinen Grund gibt, Satan zu glauben, weil er doch Lügen verbreitet. Könnte es nicht sein, dass er dies hier sagt, bloss damit man ihn in Ruhe lässt.

 

Ich sehe auf und blicke wieder in diese stahlblauen Augen, die in mich gerichtet sind, so dass sie zweifelsohne jene Gedanken in mir erkennen, die ich nicht ausspreche. Er nickt.

 

"Ja, das ist verständlich," meint er leise, "doch wo würdest du den Teil verstecken, von dem du weisst, dass er die gesamte Wahrheit offenbart, wenn nicht dort, wo die Menschen die grössten Lügen vermuten?"

 

Er lächelt, doch ist es kein verschmitztes Lächeln, kein... teuflisches... Lächeln, sondern eines voll Gedanken und ... so seltsam es klingen mag... voll Ernst.

 

"Was bedeutet das für die religiösen Menschen," frage ich in die Stille hinein.

 

"Wenn du wüsstest, dass das, was man dir sagt, dein gesamtes Weltbild zerstören würde, dir den Sinn rauben würde, den du bisher deinem Leben gegeben hast, wie sehr würdest du dann wohl daran festhalten, dass die Worte nicht wahr sein können, nicht wahr sein dürfen? Verstehst du nun, dass es vielleicht für viele einfacher ist, zu erklären, ich kann nur eine Lüge erzählen, denn sonst müssten sie sich der Gewissheit stellen, dass ich die Wahrheit sage, und das würde alles in ihnen vernichten, das sie sich je aufgebaut haben, ihr Leben, ihre Fähigkeiten, ihre Daseinsberechtigung und ihre Identität."

 

Wieder schweigt er einen Augenblick, und schliesst seine Augen.

 

"Ich kann sie verstehen," meint er leise, "ich kann verstehen, dass jemand der glaubt, sein Leben, sein Dasein sei gottgegeben, dass dieser Mensch verbittert darum kämpfen wird, es auch leben zu dürfen, so wie er es sich vorstellt."

 

Kann ich Mitgefühl erkennen?

 

Wieder blicken seine stahlblauen Augen mich an.

 

"Als Geschöpfe Gottes sind wir alle gleich, und das mindeste, das ich den Menschen zukommen lassen kann, ist Mitgefühl! Denn wer würde seine Existenz denn opfern dafür, um alle Menschen zu befreien, auch wenn er weiss, dass er sie nur befreien kann, indem er ihnen das nimmt, was sie sich als Lebensaufgabe auserkoren haben: Ihren Glauben."

 

Seine Existenz opfern...

Mir kommt Jesus in den Sinn

 

Sein Blick hat sich nicht von mir gelöst.

 

"Das würde den Rahmen dieses Mal sprengen," meint er freundlich, "doch wir können dies gerne in einem weiteren Gespräch aufnehmen."

 

Er lächelt, dann ist er wieder entschwunden.

 

 

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